Zum Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld

BAG, Urteil 22.08.2012 – 5 AZR 652/11

Der Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld entfällt nicht für den gesamten Zeitraum der Schutzfristen, wenn das Arbeitsverhältnis bei Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG wegen Elternzeit geruht hat. Der Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ist nur bis zum Ende der Elternzeit ausgeschlossen.(Rn.17)

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 2011 – 5 Sa 464/11 – aufgehoben.

2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand
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Die Parteien streiten über einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld.

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Die 1971 geborene Klägerin ist seit Dezember 2001 beim Beklagten als Tierärztin angestellt. Nach der Geburt ihrer Tochter nahm die Klägerin Erziehungsurlaub bis zum 15. Januar 2007, nach der Geburt ihres ersten Sohnes befand sie sich vom 31. August 2007 bis zum 23. August 2010 in Elternzeit. Am 8. September 2010 gebar die Klägerin einen weiteren Sohn und bezog von der zuständigen Krankenkasse vom 13. August 2010 bis zum 19. November 2010 Mutterschaftsgeld in Höhe von 13,00 Euro kalendertägig. Für das dritte Kind hat sie mit Schreiben vom 23. September 2010 Elternzeit bis zum 8. September 2013 beansprucht.

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Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung unter Fristsetzung bis zum 26. November 2010 hat die Klägerin mit der am 27. Dezember 2010 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage unter Berufung auf § 14 MuSchG zuletzt – nach Klageermäßigung in der Berufungsinstanz – für den Zeitraum 24. August 2010 bis 19. November 2010 einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld geltend gemacht. Bei dessen Berechnung ist sie von einem im Dezember 2003 bezogenen Nettoentgelt von 1.161,01 Euro ausgegangen.

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Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.850,40 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. November 2010 zu zahlen.

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Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, dem Anspruch stünde entgegen, dass die Klägerin bei Beginn der Schutzfristen noch in Elternzeit war und damit keinen Vergütungsanspruch hatte. Der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld verfolge aber das Ziel, der Arbeitnehmerin den durch das bezogene Arbeitsentgelt vermittelten Lebensstandard zu sichern. Zudem habe sich die Klägerin gemäß einem Schreiben vom 17. April 2004 schon für die Rückkehr aus dem Erziehungsurlaub nach der Geburt ihres ersten Kindes eine Teilzeitbeschäftigung mit einer maximalen Wochenarbeitszeit von 30 Stunden vorbehalten. Nach allgemeiner Lebenserfahrung könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin nach der Rückkehr aus der Elternzeit für das zweite Kind eine Vollzeitbeschäftigung angestrebt hätte.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Klägerin der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe
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Die Revision des Beklagten ist begründet. Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen die Höhe der zugesprochenen Forderung nicht. Für den dem Grunde nach bestehenden Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld kann der Senat weder den Bezugszeitraum noch die Höhe des nach § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG maßgeblichen Unterschiedsbetrags bestimmen. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht, § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

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I. Die Klage ist – bislang – unschlüssig, soweit die Klägerin einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für die Zeit vom 5. bis zum 19. November 2010 begehrt. Außerdem hat das Landesarbeitsgericht nicht aufgeklärt, wann die Elternzeit für das dritte Kind begonnen hat.

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1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG – sowohl nach dessen im Streitzeitraum als auch in der ab dem 1. April 2012 geltenden Fassung – erhalten ua. Frauen, die Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs. 1 RVO haben, während ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses für die Zeit der Schutzfristen des § 3 Abs. 2 MuSchG und des § 6 Abs. 1 MuSchG sowie für den Entbindungstag von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen 13,00 Euro und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt. Die Klägerin hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts am 8. September 2010 ein Kind geboren. Die Schutzfrist des § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG – acht Wochen nach der Entbindung – lief damit am 4. November 2010 ab.

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Zwar verlängert sich die Schutzfrist bei Frühgeburten und sonstigen vorzeitigen Entbindungen zusätzlich um den Zeitraum der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG, der nicht in Anspruch genommen werden konnte, § 6 Abs. 1 Satz 2 MuSchG. Die Klägerin hat aber nicht vorgetragen, eine Frühgeburt (zum Begriff BAG 12. März 1997 – 5 AZR 329/96BAGE 85, 248) – die zudem nach § 6 Abs. 1 Satz 1 MuSchG eine zwölfwöchige Schutzfrist zur Folge hätte – oder eine sonstige vorzeitige Entbindung gehabt zu haben. Insbesondere hat sie zu keiner Zeit den für den Beginn der Schutzfristen und deren etwaige Verlängerung maßgeblichen „voraussichtlichen Termin der Entbindung“ vorgetragen.

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2. Dass – worauf das Landesarbeitsgericht abstellt – die zuständige Krankenkasse Mutterschaftsgeld bis zum 19. November 2010 geleistet hat, ist ohne Belang. Die Bezugsdauer des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld ist in § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG ausdrücklich auf die Zeit der Schutzfristen und den Entbindungstag bestimmt. Zudem ist die tatsächliche Zahlung von Mutterschaftsgeld durch die Krankenkasse nicht anspruchsbegründend (vgl. BAG 25. Februar 2004 – 5 AZR 160/03 – zu I 2 der Gründe mwN, BAGE 109, 362).

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3. Gemäß § 14 Abs. 4 MuSchG entfällt der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für die Zeit, in der die Frau – ohne eine zulässige Teilzeitarbeit zu leisten – Elternzeit in Anspruch nimmt. Die Klägerin hat bislang weder substanziiert vorgetragen, ab welchem Zeitpunkt sie Elternzeit für ihr drittes Kind beansprucht hat, noch das entsprechende Schreiben vom 23. September 2010 vorgelegt. Sie hat lediglich die Auffassung vertreten, nach § 16 BEEG könne die Elternzeit frühestens im Anschluss an die Schutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG genommen werden. Das ist unzutreffend. Die Elternzeit beginnt grundsätzlich mit dem angezeigten, also von der Mutter oder dem Vater gewählten Zeitpunkt (ErfK/Gallner 12. Aufl. § 16 BEEG Rn. 2; Buchner/Becker 8. Aufl. § 16 BEEG Rn. 17 und § 15 BEEG Rn. 13), der auch innerhalb der Schutzfrist liegen kann.

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II. Für den Zeitraum vom 24. August 2010 bis 4. November 2010 hat die Klägerin – vorbehaltlich einer Inanspruchnahme der Elternzeit für das dritte Kind erst nach Ablauf der Schutzfrist des § 6 Abs. 1 MuSchG – dem Grunde nach Anspruch auf einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht erkannt.

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1. Die Klägerin erfüllt die Anspruchsvoraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG.

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a) Zwischen den Parteien bestand im Streitzeitraum ein Arbeitsverhältnis. Die Inanspruchnahme von Elternzeit bis zum 23. August 2010 führte nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern nur zum Ruhen der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden wechselseitigen Hauptleistungspflichten (allgemeine Ansicht, vgl. nur BAG 15. April 2008 – 9 AZR 380/07 – Rn. 31 mwN, BAGE 126, 276; ErfK/Gallner § 15 BEEG Rn. 25). Mit der Beendigung der Elternzeit sind ab dem 24. August 2010 die beiderseitigen Hauptleistungspflichten wieder aufgelebt.

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b) Die Klägerin hatte jedenfalls für den Zeitraum vom 24. August 2010 bis 4. November 2010 Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 200 Abs. 1 RVO. Dass die entsprechende Leistungsgewährung der zuständigen gesetzlichen Krankenkasse zu Recht erfolgte, steht zwischen den Parteien außer Streit.

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2. Für die Zeit ab dem 24. August 2010 entfällt der Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nicht deshalb, weil die wechselseitigen Hauptleistungspflichten bei Beginn der Schutzfrist des § 3 Abs. 2 MuSchG wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit ruhten. Das hat das Bundesarbeitsgericht für ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen unbezahlten Sonderurlaubs bereits entschieden (BAG 25. Februar 2004 – 5 AZR 160/03 – zu II 2 der Gründe, BAGE 109, 362; vgl. auch Buchner/Becker § 14 MuSchG Rn. 78; ErfK/Schlachter § 14 MuSchG Rn. 6; Roos in Roos/Bieresborn, MuSchG 2010, § 14 Rn. 5, 14a). Für das Ruhen des Arbeitsverhältnisses wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit gilt dies erst recht (im Ergebnis ebenso Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß 9. Aufl. § 14 MuSchG Rn. 75).

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a) Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 MuSchG entfällt der Zuschuss nach den Absätzen 1 bis 3 (nur) für die Zeit, in der Frauen Elternzeit in Anspruch nehmen. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nicht – mehr – entfällt, wenn die Elternzeit beendet ist.

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b) Auch der Zusammenhang der gesetzlichen Vorschriften zeigt, dass ein Vergütungsanspruch bei Beginn der Schutzfristen nicht maßgebend ist.

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Sowohl § 14 Abs. 1 MuSchG als auch § 200 Abs. 2 RVO stellen nur auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses, nicht auf einen Vergütungsanspruch bei Beginn der Schutzfrist ab. Die letzten drei abgerechneten Kalendermonate müssen der Schutzfrist nicht unmittelbar vorangegangen sein (BAG 25. Februar 2004 – 5 AZR 160/03 – zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 362; 8. September 1978 – 3 AZR 418/77 – zu II 3 a der Gründe, AP MuSchG 1968 § 11 Nr. 8 = EzA MuSchG nF § 11 Nr. 9). § 14 Abs. 1 Satz 6 MuSchG lässt unter den dort genannten Voraussetzungen sogar eine Berechnung nach dem durchschnittlichen kalendertäglichen Entgelt einer gleichartig Beschäftigten zu. Zudem sieht § 200 Abs. 2 Satz 5 RVO auch dann einen Anspruch auf Mutterschaftsgeld vor, wenn das Arbeitsverhältnis erst während der Schutzfrist beginnt; der Anspruch besteht dann ab dem Beginn des Arbeitsverhältnisses. Dementsprechend erhalten Frauen, die während der Schutzfristen von einem Beamten- in ein Arbeitsverhältnis wechseln, von diesem Zeitpunkt an Mutterschaftsgeld (§ 13 Abs. 3 MuSchG). Nach § 13 Abs. 2 Satz 3 MuSchG wird ebenfalls kein Arbeitsverhältnis bei Beginn der Schutzfrist vorausgesetzt. Der Anspruch auf Mutterschaftsgeld besteht selbst dann, wenn das Arbeitsverhältnis bereits zuvor während der Schwangerschaft nach Maßgabe von § 9 Abs. 3 MuSchG aufgelöst worden ist.

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c) Dass der Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nicht für den gesamten Zeitraum der Schutzfristen ausgeschlossen ist, wenn die Arbeitnehmerin zu Beginn der Schutzfristen noch in Elternzeit war, entspricht dem Sinn und Zweck des § 14 MuSchG.

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Entgegen der Auffassung des Beklagten, die in der von der Revision angezogenen Entscheidung (BAG 29. Januar 2003 – 5 AZR 701/01AP MuSchG 1968 § 14 Nr. 20 = EzA MuSchG § 14 Nr. 16) keine Stütze findet, verfolgt der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nicht, zumindest nicht primär, das Ziel, der schwangeren Arbeitnehmerin den bisherigen Lebensstandard zu sichern. Vielmehr soll durch die Kombination von Mutterschaftsgeld und Zuschuss zum Mutterschaftsgeld die werdende Mutter während der Beschäftigungsverbote kurz vor und nach der Entbindung finanziell so abgesichert werden, dass für sie kein Anreiz besteht, unter Inkaufnahme von gesundheitlichen Gefährdungen zum Zwecke der Existenzsicherung zu arbeiten (BVerfG 18. November 2003 – 1 BvR 302/96 – zu C 2 b bb der Gründe, BVerfGE 109, 64).

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d) Zudem gebietet Unionsrecht, den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nicht gänzlich zu versagen, wenn die werdende Mutter zu Beginn der Schutzfrist noch in Elternzeit war.

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Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs steht Unionsrecht nationalen Vorschriften entgegen, die einer Frau nicht gestatten, auf Antrag eine Änderung des Zeitraums ihres Elternurlaubs in dem Moment zu erwirken, in dem sie ihre Ansprüche auf Mutterschaftsurlaub geltend macht, und ihr so die mit dem Mutterschaftsurlaub verbundenen Rechte nehmen (EuGH 20. September 2007 – C-116/06 – [Kiiski], Slg. 2007, I-7643). Dann ist es aber erst recht nicht mit Art. 8 Abs. 1, Art. 11 Nr. 2 b Richtlinie 92/85/EWG, die einen bezahlten Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen vorsehen, zu vereinbaren, einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für den gesamten Bezugszeitraum nur deshalb zu versagen, weil die werdende Mutter zu Beginn der Schutzfristen noch in Elternzeit war.

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3. Allerdings verlangen weder der mit § 14 MuSchG verfolgte Zweck, noch die Richtlinie 92/85/EWG, die nach ihren Erwägungen die mit dem Arbeitsvertrag verbundenen Rechte gewährleisten will, der schwangeren Arbeitnehmerin einen finanziellen Vorteil zu verschaffen, den sie ohne die Schwangerschaft nicht gehabt hätte. Auch nach der durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. November 2003 (- 1 BvR 302/96BVerfGE 109, 64) veranlassten Ausdehnung des Umlageverfahrens auf alle Betriebsgrößen durch das Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz – AAG) vom 22. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3686), nach dessen § 1 Abs. 2 Nr. 1 der Arbeitgeber den nach § 14 Abs. 1 MuSchG gezahlten Zuschuss zum Mutterschaftsgeld von der Krankenkasse erstattet erhält, ist der Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld seiner Rechtsnatur nach weiterhin ein gesetzlich begründeter Anspruch auf teilweise Fortzahlung des Arbeitsentgelts (vgl. dazu BAG 29. Januar 2003 – 5 AZR 701/01 – zu 1 der Gründe mwN, AP MuSchG 1968 § 14 Nr. 20 = EzA MuSchG § 14 Nr. 16; ErfK/Schlachter § 14 MuSchG Rn. 2; Buchner/Becker § 14 Rn. 115 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Zudem ist der die schwangere Arbeitnehmerin beschäftigende Arbeitgeber über das sog. U2-Verfahren an der Aufbringung der Mittel für den Ausgleich beteiligt, § 1 Abs. 3, § 7 Abs. 1 AAG.

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Ausgehend von den Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts in Verbindung mit § 614 BGB gilt im Arbeitsverhältnis der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“. Hätte die schwangere Arbeitnehmerin ohne die Schwangerschaft im Bezugszeitraum aus in ihrer Person liegenden Gründen und ohne Eingreifen eines Entgeltfortzahlungstatbestands ihre Arbeitsleistung nicht erbringen können mit der Folge, dass der Entgeltanspruch entfallen wäre, hat sie keinen Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 Abs. 1 MuSchG (im Ergebnis ebenso Buchner/Becker § 14 MuSchG Rn. 39; vgl. auch BAG 29. Januar 2003 – 5 AZR 701/01 – zu 1 der Gründe, AP MuSchG 1968 § 14 Nr. 20 = EzA MuSchG § 14 Nr. 16: kein Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld, weil der Arbeitgeber während des Erziehungsurlaubs nicht zur Zahlung von Arbeitsentgelt verpflichtet ist; zum Sonderfall der bei Beginn der Schutzfrist bereits länger als sechs Wochen bestehenden Arbeitsunfähigkeit, bei dem wegen § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V ein Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld besteht: BAG 12. März 1997 – 5 AZR 226/96AP MuSchG 1968 § 14 Nr. 16 = EzA MuSchG § 14 Nr. 14). In einem derartigen Fall sind die Beschäftigungsverbote des § 3 Abs. 2 MuSchG und des § 6 Abs. 1 MuSchG nicht kausal für den durch den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld auszugleichenden Verdienstausfall (zum Erfordernis der Kausalität beim Mutterschutzlohn nach § 11 MuSchG: BAG 9. Oktober 2002 – 5 AZR 443/01AP MuSchG 1968 § 11 Nr. 23 = EzA MuSchG § 11 nF Nr. 23; ErfK/Schlachter § 11 MuSchG Rn. 5 mwN; Buchner/Becker § 11 MuSchG Rn. 14 ff. mwN).

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Für eine fehlende Kausalität muss der Arbeitgeber zumindest Indizien vortragen, aus denen geschlossen werden kann, die aus der Elternzeit zurückkehrende Arbeitnehmerin hätte – die erneute Schwangerschaft und das Eingreifen der Beschäftigungsverbote nach § 3 Abs. 2, § 6 Abs. 1 MuSchG hinweggedacht – aus in ihrer Person liegenden Gründen die Arbeitspflicht nicht bzw. nicht in dem geschuldeten zeitlichen Umfang erfüllen können (in diese Richtung auch Göhle-Sander jurisPR-ArbR 26/2004 Anm. 2; zu der ähnlichen Problematik des fehlenden Leistungswillens und der fehlenden Leistungsfähigkeit beim Annahmeverzug: BAG 22. Februar 2012 – 5 AZR 249/11 – Rn. 17 mwN, NZA 2012, 858). Einen allgemeinen Erfahrungssatz, eine Frau mit zwei Kindern im Alter von – damals – sechs und drei Jahren könne einer Vollzeitbeschäftigung nicht nachgehen, gibt es nicht.

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Indiztatsachen dafür, die Klägerin hätte ohne erneute Schwangerschaft ab dem 24. August 2010 die geschuldete Arbeitsleistung nicht bzw. nicht in vollem zeitlichen Umfang erbringen können, hat der Beklagte nicht vorgebracht. Insbesondere das Schreiben der Klägerin vom 17. April 2004 begründet keine Indizwirkung. Die Klägerin hat sich dort lediglich eine Teilzeitbeschäftigung vorbehalten, ohne zum Ausdruck zu bringen, sie könne oder möchte nach dem Ende ihres Erziehungsurlaubs für das erste Kind nur noch in Teilzeit arbeiten. Zudem ist eine Äußerung aus dem Jahre 2004 schon aufgrund des Zeitablaufs nicht geeignet, für das Können oder Wollen der Klägerin im Jahr 2010 indizbildend zu sein.

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III. Die Höhe des kalendertäglichen Zuschusses zum Mutterschaftsgeld hat die Klägerin bislang nicht ausreichend schlüssig berechnet. Das hat das Landesarbeitsgericht nicht erkannt. Der Klägerin ist deshalb im erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit zu geben, ihren Sachvortrag zu ergänzen.

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1. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 MuSchG erhalten die dort genannten Frauen einen Zuschuss in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen 13,00 Euro und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt. Dabei ist nach § 14 Abs. 1 Satz 2 MuSchG das durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt aus den letzten drei abgerechneten Kalendermonaten vor Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG zu berechnen. Die Klägerin hat aber ihrer Berechnung nur den letzten Monat vor Beginn des ersten Erziehungsurlaubs (Dezember 2003) zugrunde gelegt, ohne auch nur zu erwähnen, dass das um die gesetzlichen Abzüge verminderte Arbeitsentgelt in den beiden Monaten davor (Oktober und November 2003) gleich gewesen wäre. Dementsprechend hat sie das behauptete Nettoentgelt für Dezember 2003 iHv. 1.161,01 Euro, das allerdings im Tatbestand des Berufungsurteils als „Bruttomonatsgehalt“ festgehalten ist, durch 30 geteilt und nicht den Gesamtnettoverdienst im Referenzzeitraum durch die Kalendertage im Referenzzeitraum (dabei wäre allerdings bei monatlicher Abrechnung wie im Streitfall der Kalendermonat mit jeweils 30 Tagen anzusetzen, vgl. ErfK/Schlachter § 14 MuSchG Rn. 8; Buchner/Becker § 14 MuSchG Rn. 95 f. mwN; zum Ansatz von 30 Tagen bei der Umrechnung von Monat auf Tag: BAG 16. Mai 2012 – 5 AZR 251/11 – Rn. 22 ff., NZA 2012, 971).

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2. Nach dem Gesetzeswortlaut und der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müssen die letzten drei abgerechneten Kalendermonate der Schutzfrist nicht unmittelbar vorangegangen sein (BAG 25. Februar 2004 – 5 AZR 160/03 – zu II 2 b der Gründe, BAGE 109, 362). Auch bei einem mehrjährigen Ruhen des Arbeitsverhältnisses ist die Arbeitnehmerin nicht gehindert, auf den entsprechenden Zeitraum vor der Unterbrechung abzustellen (zweifelnd und zur Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 6 MuSchG neigend: Geyer/Knorr/Krasney T, 329, 48; ähnlich Buchner/Becker § 14 MuSchG Rn. 110, § 13 MuSchG Rn. 190) und damit dauerhafte Verdiensterhöhungen, die sie ohne das Ruhen des Arbeitsverhältnisses gehabt hätte, bei der Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld außer Betracht zu lassen. Gleichermaßen kann der Arbeitgeber einer Berechnung auf der Basis der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor der Unterbrechung des Arbeitsverhältnisses dauerhafte Verdienstkürzungen, die ohne das Ruhen des Arbeitsverhältnisses eingetreten wären, entgegenhalten. Eine solche Einwendung hat der Beklagte nicht vorgebracht.

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